von Redaktion

„Wir brauchen eine Hinschau-Kultur“

Peter Krause, Präsident des Landesverbandes Pferdesport Berlin-Brandenburg e.V. (LPBB), im Gespräch zum aktuellen Thema „Sexualisierte Gewalt im Pferdesport“.

Reiten und Zucht: In den vergangenen Wochen gab es ein großes Medien-Echo zum Thema „Sexualisierte Gewalt im Pferdesport“. Ein Verantwortlicher Ihres Verbandes stand dabei besonders im Fokus der Kritik (Reiten und Zucht berichtete in 12/2023).


Peter Krause: Das ist richtig. Der Vorwurf lautet Verstoß gegen §920 LPO und gegen weitere Verhaltensrichtlinien. Es ist ein schwebendes Verfahren; der Beschuldigte ist gegen die Entscheidung in Revision gegangen. Damit ist das Große Schiedsgericht des Bundesverbandes (FN) zuständig, welches die Rechtmäßigkeit des Verfahrens überprüft. Inhaltlich möchte ich hier nicht vorgreifen. Für die Dauer des Revisionsverfahrens lässt der Beschuldigte seine Ämter im Verband ruhen.
Unabhängig vom Ausgang dieses konkreten Verfahrens distanzieren wir uns als Verband von jeder Form von Gewalt, so auch von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch.
Wir folgen der Definition der Sportfamilie und dem wissenschaftlichen Kanon, dass sich sexualisierte Gewalt auf vielen Ebenen äußert. Sie beginnt mit verbalen Übergriffen, mündlich oder schriftlich, denn damit entsteht ein Klima, in dem ein Übergriff scheinbar toleriert wird. Dem sollten wir mit allen Mitteln, die uns als Verband zur Verfügung stehen, Einhalt gebieten. Im organisierten Sport formulieren wir höhere Ansprüche an uns selbst, als der Gesetzgeber fordert.


RuZ: Wie hat der LPBB die Entwicklung des laufenden Verfahrens begleitet?


Krause: Als die Vorwürfe gegen den Verantwortungsträger uns nicht mehr anonym, sondern identifizierbar der Landeskommission zur Kenntnis gelangten, wurde noch am selben Tag von dieser aufgrund der Rechtsordnung der Leistungsprüfungsordnung (LPO) ein Ordnungsverfahren eingeleitet und bearbeitet. Da der Beschuldigte selbst Mitglied des zunächst zuständigen Gremiums war, wurde dieser Fall an das nächsthöhere Gremium abgegeben. Die Aufgabe unserer Geschäftsstelle bestand darin, die interne Kommunikation zu koordinieren.


RuZ: Sexualisierte Gewalt, Gewalt im Allgemeinen, ist ein gesamt-gesellschaftliches Thema, das für den Sport wie für alle gesellschaftlichen Institutionen sowie Familien eine große Herausforderung darstellt. Mit welchen Mitteln entgegnet der LPBB dieser Problematik?


Krause: In den Regelwerken haben wir in den letzten Jahren Voraussetzungen geschaffen, um sexualisierte Gewalt sanktionieren zu können: Die FN-Satzung und LPO wurden überarbeitet, der Good-Governance-Code auf Bundesebene entstand. Damit wurden rechtliche Grundlagen für Sanktionen geschaffen. Bei all dem haben wir aktiv mitgewirkt. Ohne rechtliche Grundlage können wir nicht sanktionieren.
In unserem Landesverband wurden zusätzlich Maßnahmen zur Sensibilisierung getroffen: Alle Turnierfachleute besuchen eine Pflichtveranstaltung zum Thema Kindeswohl. Damit sind wir führend in der FN. Turnierfachleute unterzeichnen unseren Ehrenkodex. Dies ist Voraussetzung, um auf der offiziellen Liste geführt zu werden.
Sexualisierte Gewalt ist Thema in der Trainerausbildung. Landes- und Stützpunkttrainer legen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vor. In den sportfachlichen Gremien ebenso wie für unsere Kader haben wir Workshops, u.a. zum Cybermobbing, durchgeführt. Wir haben mit unserer Geschäftsführerin Frau Nicole Schwarz eine hauptamtliche Ansprechpartnerin in der Geschäftsstelle. Wir informieren zum Kinder- und Jugendschutz und veröffentlichen auf unserer Website die Ansprechpersonen der Landessportbünde sowie der Jugendämter. Dennoch verhalten sich nicht alle stets einwandfrei.
Im Falle von Beschuldigungen, bei der Anzeigende ihren Namen nennen, wie im aktuellen Fall, wird das jeweils zuständige Verbandsgremium informiert. Die Sanktionsfähigkeit der Handlungen wird überprüft und ggf. das Verfahren eingeleitet. Wir arbeiten in Abstimmung mit dem Bundesverband, denn teilweise greifen die Abläufe und Sanktionsmechanismen ineinander. All dies geschieht ohne Ansehen der Person.


RuZ: Wann entstanden diese Maßnahmen? Traten sie alle gleichzeitig in Kraft?


Krause: Das Thema „Sexualisierte Gewalt“ schlug in unserem Verband erstmalig mit großer Wucht im Jahr 2012 auf. Damals wurde ein Trainer wegen Kindesmissbrauchs in zwölf Fällen zu einer Haftstrafe verurteilt. Unsere Geschäftsführerin initiierte daraufhin die Einrichtung einer bundesweiten Arbeitsgruppe zu Vorkommnissen sexualisierter Gewalt im Pferdesport. Seitdem arbeiten alle Verbände gemeinsam an einheitlichen Verfahrensregelungen und die FN hat einen Betroffenenrat eingerichtet. Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt sind keine einmalige Aktion, sondern ein Prozess der Organisationsentwicklung.


RuZ: Wie kann der Verband noch stärker präventiv wirksam werden?


Krause: Die effektivste Form der Prävention ist die Hinschau-Kultur. Ähnlich wie im Doping brauchen wir eine Null-Toleranz-Kultur bei übergriffigem Sprachgebrauch und Verhaltensweisen. Das muss dann auch so benannt werden.
Wir werden den vorliegenden Fall noch einmal im Präsidium nachvollziehen und prüfen, an welcher Stelle konkret wir nachbessern. Unser kurzfristiger Plan ist, die oben dargestellten Einzelmaßnahmen in einem Gesamtkonzept zusammenzufassen und noch deutlicher und breiter zu kommunizieren. Vor allem sollten die Ansprechpartner bekannter werden als es derzeit offenbar der Fall ist. Bisher sprechen wir von etwa einem Vorkommnis im Zeitraum von zwei Jahren, das uns zugetragen wird.
Die Sensibilisierung für einen respektvollen Umgang miteinander braucht einen höheren Stellenwert. Dazu gehört die Reflexion von Machtgefällen und hierarchischen Strukturen, insbesondere im Umgang mit Kindern und Jugendlichen.
Zur Konzepterarbeitung sind wir mit den Landessportbünden in Beratung, die zurzeit ebenfalls ihre Schutzkonzepte aktualisieren, entsprechend den Vorgaben des DOSB.


RuZ: Ich bedanke mich für das Gespräch.

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